Das Grundstück an der Gablenzbrücke

In der Johannisvorstadt ist die Reihe der früheren Besitzer nur mit Unsicherheiten zurückzuverfolgen, weil Brände, Kriege und Hochwasser immer wieder zu Verwüstungen und zu Veränderungen der Grundstücke führte. Der Platz der Mikwe kann noch nicht mit Sicherheit den Angaben in den Markbüchern zugeordnet werden, er liegt nach neueren Erkenntnissen im Bereich der Grundstücke, die hier unter den Nummern 506 bis 511 erfasst wurden.

Alte Pläne der Johannisvorstadt
  • 1761: Johann Paul Trenckmann; Nachzeichnung
  • 1789: Friedrich Gottlieb Aster; Foto: Deutsche Fotothek
  • 1828/9: Carl August Hartwig (Entwurf) / J. Keyl (Stich);  Stadtarchiv Chemnitz: P 01 Planarchiv Altbestand, Sign. 1_0197

Dieses Grundstück lag sehr verkehrsgünstig an zwei Fernstraßen. Wer nach Freiberg und Dresden wollte oder wer über Zschopau und Reitzenhain nach Böhmen reiste, musste das Johannistor passieren und kam hier vorbei. Den ältesten Plänen (siehe Abb.) kann man entnehmen, dass der Verkehr am Nordufer des Gablenzbach geführt wurde, also direkt vor diesem Grundstück. Außerdem mussten die Reisenden an dieser Stelle mit einer engen und steilen Brücke den Bach überqueren.

Die frühen Stadtpläne zeigen auch, dass zur Zeit der Mikwe die Dresdner Straße (oder Freiberger Straße) weiter stadtauswärts verlief. Erst die 1842/3 angelegte „Neue Dresdner Straße“ brachte dann diesem Grundstück die vorteilhafte Lage in einer Straßengabelung (siehe die Einzeichnung auf der alten Karte der Johannisvorstadt).

Ein weiterer Vorzug war die Lage an einem Bach. Brauchwasser und Abwasser vor der Tür zu haben, war in der Vormoderne ein Vorteil für Haushalte und unverzichtbar für manches Gewerbe. Der Gablenzbach bog hier von der Straße ab und floss dann in einem weiten Bogen nördlich um Chemnitz herum. Am Nordufer war dieses Grundstück das letzte bebaute; danach war in Richtung Westen und Norden viel Freiraum.

Für die Mikwe war aber ein anderer Aspekt wichtiger: Der Bach sorgte für einen hohen Grundwasserspiegel in der Uferzone. Die Gablenz kommt ja aus Richtung Erzgebirge und bietet daher eine verlässlichere Versorgung als die beiden Zubringer links der Chemnitz (Pleißenbach und Kappelbach). 

Des weiteren fällt die Größe des Grundstücks auf. Der Plan von 1761 gibt nur das Hauptgebäude an der Straßenfront wieder, allerdings verzeichnet er auch sonst Nebengebäude nur ungenau. 1789 taucht dann ein geräumiger Hof auf mit einem langestecktes Bauwerk an der Westseite. Bis 1828 wurden kleiner Anbauten daran vorgenommen sowie eine große dreiflügelige Anlage an der Ostseite errichtet, und zwar längst bevor es vom Gasthof "Goldner Anker" genutzt wurde.

Lage, Größe und Bebauung des Grundstücks lassen vermuten, dass es zu den wichtigsten der Johannisvorstadt zählte. Über dessen Nutzung erfahren wir leider erst etwas im 19. Jh. ("Goldner Anker"). Sicher sind wir nur, dass es in früheren Zeiten nicht als Gasthaus gedient hat, denn die spärlichen (und schwer zu erreichenden) Konzessionen in den Vorstädten sind in den Akten gut dokumentiert.