Das Bauwerk

© Landesamt für Archäologie Sachsen, C. Heiermann

Informationen des Landesamts für Archäologie Sachsen

Eine erste Publikation des Landesamts für Archäologie Sachsen ist in "ARCHAEO" Heft 19 im Frühjahr 2023 erschienen. 

Auch in der 3D-Datenbank des Landesamts für Archäologie Sachsen (archaeo | 3D) gibt es einen aufschlussreichen Eintrag zur Chemnitzer Mikwe. Dort kann man den Scan der Mikwe , der bei der Ausgrabung angefertigt worden ist, betrachten sowie beliebig drehen und vergrößern.

Die sechs in der Verfüllung der Mikwe gefundenen Münzen sind ebenfalls in hervorragender Auflösung von allen Seiten zu sehen. Das älteste Exemplar stammt aus dem Jahr 1730, die jüngsten sind kurz vor 1780 in Umlauf gebracht worden; alle zeigen deutliche Gebrauchsspuren auf. Man vermutet daher, dass der Kellerraum frühestens ab den 1790er Jahren zugeschüttet wurde.


Peter Hiptmair/Rebecca Wegener: Ein seltenes Zeugnis jüdischer Kultur. Die neuentdeckte Mikwe in Chemnitz, in: ARCHAEO 19 (2022), S. 4 - 15. 

Rebecca Wegener, Jüdisches Ritualbad (Mikwe). In: Landesamt für Archäologie Sachsen, Website archaeo | 3D (15.08.2023). https://archaeo3d.de/sachsen/2022-02-17_tr_0003/


Interpretation des Chemnitzer Befunds

In Chemnitz zeigen sich folgende Übereinstimmungen bzw. Abweichungen mit der allgemeinen Bauform der Mikwe:

  • Ein leicht abfallender Gang führte nach unten.
  • Er mündete in einen nach rechts erweiterten Vorraum, in dem man sich auskleiden konnte. Von hier aus konnte auch eine Betreuerin oder ein Betreuer überwachen, ob wirklich vollkommen untergetaucht wurde.
  • In Chemnitz hat die Treppe ins Tauchbecken nur zwei Stufen. Vermutlich war der Grundwasserspiegel durch den nahen Gablenzbach so hoch und der Abstand zum darüberliegenden Erdgeschoß so gering, dass man diese ungewöhnliche Kombination von schrägem Abgang und wenigen Stufen wählte. 
  • Als das Tauchbecken freigelegt wurde, lag es noch unter Grundwasser.
    Es hatte einen rechteckigen Grundriss und erweiterte sich (wie der Vorraum) ebenfalls nach rechts zu einer Nische. Dadurch entstand eine partielle Trennwand zwischen Vorraum und Becken, die etwas Privatheit bieten konnte. Die religiöse Bedeutung des Tauchbeckens zeigte sich auch in der besonderen Ausstattung des Raumes: Er war überwölbt und man fand Reste eines hellen Putzes. 
  • In Chemnitz gab es direkt hinter dem Tauchbecken einen zweiten Schacht auf kreisförmigem Grundriss, der als Reservoir genutzt wurde.
  • An der Nahtstelle waren beide mit gemauerten Rundbögen (siehe Detailabbildungen) verbunden. Auf der Badseite war der Durchlass mit Ziegeln zugemauert, wobei eine kleine Öffnung freigelassen wurde. Sie übertraf das vorgeschriebene Minimum von fünf Zentimetern Durchmesser.
  • Der Durchlass war nach den rituellen Vorschriften so hoch anzubringen, dass darunter immer die Mindestmenge an Wasser im Tauchbecken verblieb; ferner sollte er möglichst unter dem Niveau des Grundwassers liegen. Daraus lässt sich die Füllmenge der Mikwe ableiten: In Chemnitz befindet sich der Durchlass ca. 70 cm über dem Boden des Tauchbeckens; bei ungefähr 1,5 qm Grundfläche kann es – sehr grob geschätzt – 1000 Liter gefasst haben. Dies wäre mehr als mehr als das vorgeschriebene Minimum. Allerdings wird die Vorschrift, dass das Wasser bis über den Nabel reichen soll, hier nicht erfüllt.
    Der Boden des Vorraums liegt etwa auf gleichem Niveau wie der Durchlass, was ebenfalls für die angenommene Füllhöhe des Beckens spricht.

Der Durchlass

Fotos: C. Fuchs

In Chemnitz gab es anscheinend keinen separaten Schacht für die Reinigung von Geschirr.

Da das Mauerwerk nur gut ein Meter hoch erhalten ist, fehlen jegliche Anhaltspunkte zur Beleuchtung (wie Nische oder Haken).