Beispiele aus Mitteldeutschland

Mikwen in Deutschland

Eine Mikwe war für eine jüdische Gemeinde unverzichtbar, deshalb muss es in Deutschland hunderte gegeben haben. Sie waren allerdings vom 14. bis zum 18. Jh. überwiegend in Kellern von Privathäusern untergebracht und ihre Existenz wurden bei den Behörden nur selten aktenkundig. Heute sind zwar rund 400 Mikwen bekannt, aber es gibt zweifellos noch viele unentdeckte – wie bis vor kurzem in Chemnitz.

Einige Mikwen sind auch zu besichtigen, vor allem die monumentalen Schachtmikwen aus dem hohen Mittelalter, die die jüdischen Gemeinden in Köln, Worms, Speyer, Friedberg und Andernach errichtet haben Die Ritualbäder in Speyer und Worms zählen sogar neuerdings zum Welterbe, da die jüdischen Monumente der "SchUM Städte" Speyer, Worms und Mainz 2021 in die UNESCO-Liste aufgenommen wurde.

In Thüringen wurden in den letzten Jahrzehnten drei Mikwen entdeckt und dauerhaft zugänglich gemacht. In Erfurt ist es eine Gemeindemikwe, in Sondershausen und Schmalkalden sind es private Kellermikwen. Der Blick dorthin auf die unterschiedlichen Lösungen lohnt sehr für uns, denn wir müssen noch einige Jahre warten, bis über die Möglichkeit einer Präsentation entschieden werden kann. In allen drei Städten wurden die Planungen nach dem Fund erheblich verändert, und Erfurt hat die Latte mit seinem Welterbe-Antrag bei der UNESCO sehr hoch gelegt.

Nicht immer ist eine auffällige Wasserstelle im Keller klar zu interpretieren. Das trifft auch für Görlitz zu, wo man bisher meinte, dass es sich um eine Mikwe handele. Aber nach neueren Forschungen ist dies auszuschließen.  


Erfurt

In der großen und wohlhabenden Erfurter Gemeinde wurden die rituellen Waschungen seit dem 12. Jh. in einem eigenen Bauwerk vorgenommen. Die Mikwe liegt im jüdischen Viertel, und zwar an der Gera gleich neben der Krämerbrücke. Das 9 x 3 Meter große Gebäude stammt aus dem 13 Jh. und wurde bis zur Vertreibung 1453 genutzt.

© Gildehaus Reich
© Stadtverwaltung Erfurt, Norman Hera

Die Mikwe gehört zum Erfurter „Netzwerk Jüdisches Leben“, das auch die Alte Synagoge und das Steinhaus (mit Grabsteinen vom mittelalterlichen jüdischen Friedhof) umfasst. 2021 wurde bei der UNESCO der Antrag eingereicht, das „Jüdisch-Mittelalterliche Erbe Erfurt“ als Welterbe einzuordnen, was den SCHUM-Städten schon gelungen war.

Die Mikwe wurde 2007 wiederentdeckt und ein gut gestalteter Schutzbau darüber errichtet. Seit 2011 ist sie im Rahmen von Führungen zu besichtigen. Ein Schacht erlaubt aber jederzeit einen Blick auf das Tauchbad. Außerdem wird eine virtuelle Führung durch die Leiterin der Ausgrabungen und ein 3D-Panorama angeboten.


Sondershausen

In Sondershausen ist kaum etwas über die (vermutlich sehr wenigen) Juden im Mittelalter bekannt. Es gab jedoch eine Kellermikwe in einem privaten Wohnhaus am westlichen Rand der Altstadt. Ihr Tauchbecken war 1,25 m breit, ca. 1,50 m lang und wahrscheinlich 1,60 m tief. Sie wurde wohl in der 2. Hälfte des 13. Jh. erbaut. Als man in der 1. Hälfte des 14. Jh. die Stadtmauer errichtete, änderte man an dieser Stelle leicht deren Richtung, sodass sie knapp am Bad vorbeiführt. Die Mikwe wurde nicht sehr lange benutzt, die Pestpogrome 1349 beendeten auch in Sondershausen das jüdische Leben. Diese Mikwe ist eines der wenigen frühen Beispiele für den in späteren Jahrhunderten sehr verbreiteten Typ der Kellermikwe; im östlichen Deutschland ist es die älteste erhaltene.

© Schlossmuseum Sondershausen
Foto: Helmut Röttig, Sondershausen
Scan aus 3D-Panorama; © menora, ThULB Jena
Autor: Dr. Andreas Christoph, ThULB Jena

Vor dem Bau des Einkaufszentrums „Galerie am Schlossberg“ wurde 1998/9 eine Rettungsgrabung durchgeführt, bei der die Mikwe entdeckt wurde. Sie wird im Untergeschoß der Galerie in einem eigens dafür konzipierten Raum präsentiert und durch eine Ausstellung ergänzt. Sie kann im Rahmen von Stadtführungen oder nach Anmeldung im Schlossmuseum besichtigt werden. Außerdem ist ein 3D-Panorama (siehe Abb.) verfügbar.


Schmalkalden

In Schmalkalden gab es vier Mikwen, die auch von Brüchen beim jüdischen Bevölkerungsteil dieser Stadt zeugen.

  • Um 1400 entstand eine ungewöhnliche Mikwe, die über zwei Reservoir-Schächte verfügte. Das Tauchbecken konnte nicht ausgegraben werden, da es in der Frühen Neuzeit durch ein anderes überbaut worden ist.
  • Ab 1611 kam es in Schmalkalden wieder zur Ansiedlung von Juden; 1622 wurde auf einem benachbarten Grundstück die Synagoge errichtet. Damals bekam auch die alte Mikwe ein neues Tauchbecken mit zwei Stufen; es fasste etwa 1000 Liter Wasser. Zusätzlich wurde ein kleiner Schacht mit einer hölzernen Wasserleitung angebunden, der vermutlich zur Reinigung von Geschirr diente.
  • Eine Mikwe der Gemeinde scheint erst im 19. Jh. im Hochparterre des Schulhauses entstanden zu sein.
  • Diese wurde 1890 erneuert. Erst 1995 wurde sie wiederentdeckt.
© Stadt Schmalkalden,Tourist-Information

Als das Viertel hinter dem Lutherhaus neu bebaut werden sollte, wurden 2015 bei Rettungsgrabungen eine spätmittelalterliche Mikwe und ihr frühneuzeitlicher Nachfolgebau unter einem Keller entdeckt. Stadt und Architekten haben gut darauf reagiert: Statt der geplanten Tiefgarage wurde das Projekt geändert und 2021 die Mikwe für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Sie kann bei einer Führung besichtigt werden. Beim Rundgang zum jüdischen Leben in Schmalkalden werden auch die Schule und Mikwe des 19. Jh. gezeigt. Ein (noch während der Bauzeit erstelltes) 3D-Panorama, die Website des Architekturbüros und die städtische Broschüre informieren umfassend über dieses Denkmal.