Probleme der Erhaltung

Viele hatten nach den Fund erwartet, dass dieses überraschende Zeugnis jüdischen Lebens für das Publikum dauerhaft sichtbar bleibt. Die ausgegrabenen Mauern wurden allerdings sofort wieder (reversibel mit Erdmörtel) verfüllt und in eine Betonhülle („Kokon“, siehe Abb.) eingekapselt.

Das mag verwundern, aber das oberste Ziel der Denkmalpflege ist es, das Mauerwerk so zu erhalten, wie es gefunden wurde. Wir tragen Verantwortung dafür, den Fund auch für die Nachwelt zu sichern und ihn nicht durch die Neugier und Schaulust unserer Generation zu ruinieren.

Die spezielle Situation in Chemnitz konfrontierte die Archäologen mit erheblichen Problemen und Risiken

  • Aktuell besteht das Risiko durch Erderschütterungen bei den anstehenden Baumaßnahmen im Johanniskarree. Eine Verfüllung der Zwischenräume ist da der beste Schutz für die alten Mauern.

Die schützende Betonhülle ("Kokon")

Foto: C. Fuchs
  • Heikler ist jedoch die Frage, wie die Weichziegel und der Lehmmörtel auf die Veränderung ihrer Umgebung reagieren. Seit jeher standen sie teilweise im Grundwasser, aber dessen Niveau dürfte seit der Erbauungszeit der Mikwe um vielleicht einen Meter abgesunken sein, und die „Neue Johannisvorstadt“ mit ihren massiven Untergeschossen wird es vermutlich weiter fallen lassen.
  • Außerdem waren die Mauern nun über 200 Jahre verfüllt. Wie reagieren die alten Ziegel auf die Freilegung? Wenn man ein halb feuchtes Monument in einem „archäologischen Fenster“ präsentiert, dann kann es – auch bei Klimatisierung – zu organischen Schäden (durch Algen, Schimmel und Keime) oder chemischen Prozessen (Austreten von Salzen) kommen. Schlimmstenfalls zerbröseln oder brechen die Weichziegel, und der Lehmmörtel verliert seine Bindekraft.

Diese Risiken erforderten besondere und umfangreiche Maßnahmen für die Erhaltung und eine mögliche Präsentation. Man entschied sich dafür, das Monument einzuhausen. Der Kokon bleibt jedoch durch eine Revisionsöffnung zugänglich, und das Mikroklima wird über Jahre sorgfältig beobachtet und untersucht werden. Ein Monitoring wird danach zeigen, ob eine verantwortungsbewusste Entscheidung über eine öffentliche Präsentation möglich ist. 2025, im Jahr der Kulturhauptstadt, kann die Mikwe noch nicht gezeigt werden.

Um sich mit Kollegen verschiedener Fachrichtungen auszutauschen und die anderswo gemachten Erfahrungen zu nutzen, hat das Landesamt für Archäologie Sachsen in Verbindung mit der Stadt Chemnitz am 23. September 2022 einen Experten-Workshop veranstaltet. Die Beiträge von den thüringischen Mikwe-Funden (Erfurt, Sondershausen, Schmalkalden) aus den letzten Jahrzehnten haben uns sehr ermutigt, denn an allen drei Orten ist es gelungen, die Mikwe angemessen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.