Die Bauweise der Mikwe

Eine Mikwe ist für den Alltag der Gemeinde unabdingbar. Sie ist sogar wichtiger als eine Synagoge und muss daher zuerst gebaut werden. Da sie ein Ort für interne Riten ist, kam es vom 14. bis zum 18. Jh. nur selten zu großen architektonischen Gestaltungen. Im hohen Mittelalter dagegen wurden eigene Gebäude errichtet. Später wurde eine Mikwe überwiegend im Keller eines Wohn- oder Gemeindehauses untergebracht; ab dem 16. Jh. war sie zunehmend mit der Synagoge verbunden.


Bautypen

Eine Mikwe muss von „lebendigem Wasser“ (Regen, Quelle, Fluss, Grundwasser) gespeist werden, aber im Tauchbecken selbst ist stehendes Wasser. Da die örtlichen Gegebenheiten sehr unterschiedlich sind, haben sich verschiedene Bautypen entwickelt:

  • Im Zisternentyp wird Regenwasser gesammelt.
  • Im monumentalen Schachttyp wird in die Tiefe bis zum sicheren Grundwasserniveau gebaut. Die Treppe kann in geradem Lauf hinabführen (z.B. in Speyer und Worms) oder innen in einem quadratischen Schacht (z.B. Köln, Friedberg, Andernach). Die größte dieser Anlagen aus dem 12 und 13. Jh. ist in Friedberg zu finden, hier reicht der Schacht bis in 25 Meter Tiefe (siehe Abb.).
  • Der flache Grundwassertyp eignet sich, wenn in der Nähe ein Fluss oder Bach fließt. Die Erfurter Mikwe an der Krämerbrücke ist ein gutes Beispiel, und auch das Chemnitzer Grundstück an einer Biegung des Gablenzbachs darf sicherlich dazu gerechnet werden.

Mikwe Friedberg

© Stadtarchiv Friedberg; Foto: K. Augustin
Schnitt: H. Kratz

Typische Elemente des Bauwerks

Ein Vorraum diente zum Auskleiden. Von hier aus kontrollierten die Betreuerinnen bzw. Betreuer der Mikwen die korrekte Reinigung und die Rabbiner überwachten den Aufnahmeritus.

Ein Waschraum zur Vorbereitung kann ihn ergänzen.

Eine Treppe führt hinunter ins Tauchbecken. In Chemnitz hat sie nur zwei Stufen.

Ein Tauchbecken sollte 3 Ellen (etwa 1,40 m) in die Erde eingegraben sein und mindestens 40 Se’ah fassen. Leider ist strittig, was dieses altisraelische Hohlmaß heute bedeutet, denn es wird vom Volumen eines Eies abgeleitet. Die Umrechnungen variieren beträchtlich; für die Mikwe reichen sie von 270 bis 780 Liter.
Das Wasser sollte (möglichst drei Handbreit) über den Nabel reichen, sodass man im Stehen ohne Mühe ganz untertauchen konnte, wenn man sich bückte. War der Grundwasserspiegel niedriger (wie in Chemnitz), dann musste man wohl zusätzlich leicht die Knie beugen.
Noch geringer ist die Tiefe des Tauchbeckens von Schmalkalden (siehe Abb.), aber auch dort werden mit rund 1000 Litern die Mindestvorgaben deutlich übertroffen.

Ein zweiter Schacht kommt auch hin und wieder vor, z.B. in Schmalkalden und in Chemnitz. Dafür konnte es verschiedene Gründe geben:

  • Er konnte als Zisterne dienen, in der das Regenwasser gesammelt wurde – für den Fall, dass das Grundwasser nicht zur Füllung ausreichte.
  • Er konnte auch als zweiter Wasserspeicher dienen, der sowohl mit Grundwasser als auch mit geschöpftem Wasser befüllt werden durfte.
  • Er konnte als Vorratsspeicher dienen, um das stark verbrauchte Wasser im Tauchbecken auszutauschen.
  • Ein zusätzlicher kleiner Schacht konnte auch zur rituellen Reinigung von Gefäßen benutzt worden sein.
© Stadt Schmalkalden,Tourist-Information

In den ersten drei Fällen gilt die rituelle Vorschrift, dass beide Schächte durch eine Öffnung oder eine Leitung miteinander verbunden sein müssen. Nach einem weitverbreiteten Kompendium aus dem 16. Jh. muss die verschließbare Öffnung so hoch angebracht sein, dass die Wassermenge im Tauchbecken nicht unter die Mindestanforderungen sinken kann; sie sollte auch direkt unter dem regulären Grundwasserspiegel liegen. Auch die Größe des Zulaufs ist geregelt: Man muss darin Zeige- und Ringfinger gut drehen können (ca. 5 cm). So soll sichergestellt werden, dass das Wasser im Tauchbecken beim Kontakt mit dem einströmenden Wasser seine kultische Eignung bewahrt. 
Schulchan aruch Bd. 2, § 201, Abs. 52ff und 40


Zur Vertiefung: